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Sie ist in der Klinik, ich nicht.

Veröffentlicht am von flying Jane

Ich lernte sie in der Klinik kennen. Wir waren beide zu Anfang sehr schüchtern. Sie war schon drei Wochen da ich erst zwei, zu beginn war ich allerdings auf einer anderen Station. Ich redete mit keinem. Sie wirkte scheu und kalt, doch wenn sie redete, redete sie laut und selbstbewusst. Ich war irgendwie beeindruckt. Sie hatte ein richtiges "Pokerface". Wir freundeten uns an. Grundverschiedene Persönlichkeiten, verbunden durch eine Krankheit. WIr tauschten uns aus, nicht tigernd, im Gegenteil. Wir puschten uns gegenseitig. Ich hatte eine Sonde direkt von anfang an. Ich war sehr unglücklich damit. Sie schaffte es ebenfalls nicht zu essen, also bekam auch sie eine. Im laufe der Zeit kamen wir auf ein Zimmer. Es war die beste und lustigste Zeit, zumindest wenn man die Umstände nicht betrachtete. Sie machte meine Zeit erträglich und ich ihre. Wir waren das "Dream Team" schlechthin. Unser Zimmer war umfunktioniert worden zu einer "Straße" wie wir es nannten. Unseren Bewegungsdrang ließen wir daran aus. Wir strickten gemeinsam stundenlang, meistens im Gehen. Wir weinten viel, vor allem bei großen Gewichtszunahmen, halfen uns auf, kämpften für einander und miteinander. Alles war perfekt. Abends guckten wir immer gemeinsam "Mieten, Kaufen, Wohnen" da wir beide voll sondiert wurden. Wir erzählten uns von unseren kleinen "tricks" aber munterten uns trotzdem auf und versuchten unsere Gewohnheiten ab zu legen. Gemeinsam schafften wir alles. Ich wurde entlassen am 1.5.12 Sie eine Woche später auch. ´Nach der Klinik war vor der Klinik. Ich rutschte ab, sehr. Sie half mir weiter zu machen. Wir schworen einander, niemals alleine in die Klinik zurück zugehen. Am besten gar nicht. Falls einer geht, geht der andere auch. Das konnte ich nicht verantworten, also kämpfte ich. Ich schaffte es wenigstens mein Gewicht wieder zu erhöhen, alles andere sahen Ärzte nicht. Es war okay. Wir hielten uns immer knapp über Wasser. Sehr knapp. Sie leider manchmal knapper als ich, denn ihr Stoffwechsel war sehr gut. Selbst bei 2000 kcal nahm sie ab. Dann kam das was irgendwann passieren musste. nach fast 2 Jahren wurden wir getrennt. Sie zog nach Bayern, weg von ihren Freunden, weg von ihrer Heimat, ihrer Therapeutin, weg von mir :( Es brach mir das Herz sie gehen zu lassen. Wir schafften es meistens uns wenigstens einmal im Monat zu sehen, doch ich wusste ihr geht es nicht gut. Sie rutschte ab, das neue Schulsystem, ein zu hoher Druck. Neue Leute finden, harte Arbeit. Neue Umgebung, viel Fremdes, alles Fremd. Zu schwer für sie. Ich unterstütze sie weites gehend. Dann gestern Abend die SMS " es tut mir leid.. ich hab es nicht geschafft, ich bin seit drei Tagen in einer Klinik, Ich schaffe das nicht ohne dich, Ich will hier raus! :(" ich glaube ich habe seit einer sehr, sehr langen Zeit nicht mehr so stark geweint wie an diesem Abend. Ich empfing die Nachricht gerade als ich zu Tür rein kam. Es hatte geregnet, ich war mit dem Hund draußen, da ich einen starken Bewegungsdrang hatte, ich konnte den Tag über nicht kotzen, ich war fertig mit der Welt, meine Laune war allerdings besser nach 40 min Walken. Dann die Nachricht. Meine Beine Zitterten ich sank auf den Boden und weinte als hätte mir jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Meine Mutter kam angelaufen. Las die Nachricht und klammerte sich an mich. Sie wusste was in mir vorging, ihr Panik spürte ich. Meine Schwester kam angelaufen, mein Vater stand auf der Treppe, selbst mein Bruder unterbrach sein Computerspiel. Ich weinte einfach weiter. Lief hoch kam den ganzen Abend nicht mehr aus meinem Zimmer. Abendbrot sollte ausfallen. Manche denken sich jetzt vielleicht "Übertreib", aber für mich ist es so als hätte ich versagt. Sie ist wieder in einer Klinik und ich nicht. Ich will zwar nicht zurück, aber sie ist quasi die bessere von uns. Für mich gibt es gerade keinen Grund mehr zu essen, oder sonst was zu tun, da die Person aufgegeben hat , für die ich gekämpft habe. Ich habe jetzt fünf Tage sturmfrei, heißt keiner achtet auf mein Essverhalten. Gut für die Krankheit, schlecht für mich, aber das interessiert mich momentan gar nicht.

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